Menschen streben in ihrem Leben nach verschiedensten Dingen: Reichtum, Beförderungen, ein Haus mit Garten, viele Kinder, der Traumpartner, Studienabschlüsse, das Erklimmen von Bergen und vieles mehr. Immer mit dem übergeordneten Ziel glücklich zu sein. Und trotzdem bleibt das Glück nach Erreichung vieler dieser Ziele aus. Woran liegt das? Und was macht uns eigentlich glücklich? Mehr dazu erfährst du in diesem zweiten Artikel der Artikelreihe zu Glück & Positiver Psychologie (zu Teil 1 – Was ist Glück?).
Wieviel Einfluss haben wir auf unser Glück?
Viele von uns haben bei sich oder anderen schon einige gescheiterte Versuche, das Glück zu finden, miterlebt. Da stellt sich früher oder später die Frage, wieviel Einfluss wir eigentlich auf unser Glück haben. Denn einzelne positive Ereignisse scheinen nicht langfristig glücklich zu machen. Die gute Nachricht ist: für Glück gibt es keine Voraussetzungen. Man muss keine glückliche Kindheit gehabt haben, man muss nicht reich sein oder gesund sein, man muss nicht seinen Traumpartner gefunden haben oder sonst eines der Ideale, die viele Menschen mit Glück verknüpfen. Überall auf der Welt finden wir Beweise dafür, dass man unter den gleichen Bedingungen und Umständen glücklich oder unglücklich sein kann. Sonja Lyubomirsky, eine amerikanische Professorin für Psychologie, hat drei Determinanten von Glück ermittelt1:
- den genetischen Fixpunkt,
- die äußeren Umstände und
- unser Verhalten.
50% der Unterschiede im Glücksniveau von Menschen führt sie auf genetische Veranlagungen zurück. Die Lebensumstände machen lediglich einen Unterschied von 10% aus. Das klingt erstmal nach einer schlechten Nachricht, denn unsere Gene können wir nicht verändern und die besseren Lebensumstände, nach denen viele tagtäglich streben, machen nur einen geringfügigen Unterschied. Aber die gute Nachricht ist – in dieser Rechnung sind noch 40% übrig. Hätten also alle Menschen dieselben genetischen Veranlagungen und würden in exakt gleichen äußeren Umständen leben (das gleiche Haus im gleichen Ort, der gleiche Partner, dasselbe Einkommen, der gleiche Körper…) würde sich ihr Glücksniveau immer noch um bis zu 40% unterscheiden. Und diese 40% werden von unserem individuellen Denken und Handeln beeinflusst – also einer Stellschraube, an der wir drehen können. Trotzdem suchen so viele Menschen am falschen Ort nach ihrem Glück – im Außen. Und um mit dieser Illusion aufzuräumen, schauen wir uns einige äußere Umstände und ihre Auswirkungen auf unser Wohlbefinden einmal genauer an.
Macht Geld glücklich?
Finanzieller Wohlstand ist ein Glücksfaktor, der vielfach erforscht wurde und vielfach überschätzt wird. Bereits 1974 stellte der Ökonom Richard Easterlin auf Basis einer wissenschaftlichen Untersuchung die These auf, dass mehr Einkommen nicht zu einer höheren Zufriedenheit führt – solange die Grundbedürfnisse erfüllt sind, das sogenannte Easterlin-Paradox. Auch wenn man sich die Entwicklung der Zufriedenheit der US-Bürger anschaut, scheint es so als hätte Easterlin Recht. Im Jahr 1940 schätzten die Amerikaner ihre Zufriedenheit auf einer Skala mit 7,5 (von 10) Punkten ein. In dieser Zeit gab es in vielen Haushalten kein fließendes Wasser und keine Zentralheizung. Als die Amerikaner 1990 erneut befragt wurden, hatte der Durchschnittshaushalt fließendes Wasser und eine Zentralheizung, sowie mehr Wohnraum, eine Vielzahl an technischen Geräten und ein mehr als doppelt so großes Pro-Kopf-Einkommen als 50 Jahre zuvor. Und ihre Zufriedenheit schätzten die Amerikaner auf der gleichen Skala mit 7,2 (von 10) Punkten ein, also 0,3 Punkte niedriger als zuvor – obwohl sie mehr Geld und bessere Lebensumstände hatten2. Auch wenn das Easterlin-Paradox inzwischen in verschiedenen Studien widerlegt wurde, von Easterlin erneut bewiesen und anschließend vielfach diskutiert wurde, scheint es nicht so simpel zu sein, wie wir denken. Mehr Geld macht nicht automatisch glücklich. Aber Geld macht uns glücklich, solange wir damit unsere Existenz sichern. Wenn die Existenz jedoch gesichert ist, macht ein höheres Einkommen kaum noch einen Unterschied in unserem Glücksempfinden. 2010 ermittelten Forscher dazu auch ein ungefähres Einkommen: die Schwelle liegt laut den Untersuchungen bei einem Jahreseinkommen von 75.000$3. Dieser Wert liegt doch etwas über der reinen Existenzsicherung und ermöglicht eine gewisse finanzielle Freiheit und die Möglichkeit, das zu tun, was für das persönliche Wohlbefinden wichtig ist. Ein niedrigeres Einkommen kann emotionales Leid verschlimmern, das mit Geschehnissen wie Scheidung, Krankheit oder Einsamkeit einhergeht. Gleichzeitig geben Untersuchungen Hinweise darauf, dass ein höheres Einkommen die kognitive Bewertung des eigenen Lebens verbessert, aber die Fähigkeit einschränkt kleine Freuden zu genießen und somit das Glücksempfinden reduziert4.
Doch was hat es für Auswirkungen, wenn finanzieller Wohlstand trotzdem ein wichtiges Ziel für uns ist? Diese Frage untersuchten Forscher 2003 in einer Studie5. Sie fanden heraus, dass Menschen, die als junge Erwachsene sehr materialistisch eingestellt waren und finanziellen Wohlstand als wichtigstes Ziel angaben, 20 Jahre später weniger zufrieden mit ihrem Leben sind als ihre Altersgenossen. Und trotzdem sind viele Menschen der Meinung, dass mehr Geld ihre Lebensqualität steigern würde. Wie Studien mit Lottogewinnern allerdings zeigen, stimmt das nicht. Ein Jahr nach ihrem Gewinn waren sie wieder genauso glücklich wie vorher, hatten aber weniger Spaß an den kleinen Freuden des Alltags.
Schön und glücklich?
Wenn Geld nicht hilft, dann vielleicht ein attraktives Äußeres. Die Anzahl von Schönheitsoperationen nimmt stetig zu und auch die Akzeptanz in der Gesellschaft wächst. Die Zufriedenheit mit dem Aussehen hält nach einer Schönheitsoperation jedoch nicht lange an. Eine interessante Studie von Ed Diener zeigt andere Zusammenhänge zwischen Attraktivität und Glück auf6. Er fotografierte glückliche und unglückliche Studenten und ließ die Attraktivität der Kandidaten von einer neutralen Jury bewerten. Einige Testpersonen wurden in normaler Alltagskleidung fotografiert, andere wurden ungeschminkt, ohne Schmuck und mit bedeckten Haaren fotografiert. Sie mussten sich beispielsweise eine Badekappe und einen Laborkittel anziehen oder ihren Kopf durch ein Loch in einer Pappwand stecken. Die Ergebnisse zeigen, die glücklichen Studenten werden nicht als attraktiver bewertet als ihre unglücklichen Mitstudenten. Jedoch schätzten die glücklichen Studenten sich als attraktiver ein. Damit ist bewiesen, dass Schönheit nicht zwangsläufig glücklich macht. Aber wenn man glücklich ist, empfindet man vieles als schöner, auch sich selbst.
Wie man wirklich erfolgreich wird
Neben dem Streben nach Reichtum oder Schönheit gibt es noch weitere verbreitete Glücksstrategien in unserer Gesellschaft. Viele Leute verfolgen die Strategie durch härtere Arbeit mehr Erfolg zu haben und dadurch glücklicher zu werden. Doch wenn wir eins unserer Ziele erreicht haben, also erfolgreich waren, verschiebt sich in den meisten Fällen die Ziellinie einfach nur weiter nach hinten, unter anderem aufgrund unserer immer höher werdenden Ansprüche und den sozialen Vergleichen, die wir ziehen. Wir haben die Gehaltserhöhung bekommen, dann wollen wir jetzt auch noch die Beförderung. Wir haben eine gute Note geschrieben, beim nächsten Mal wollen wir der Beste sein. Wir haben den tollen Job bekommen, bald suchen wir nach einem noch besser angesehenen Job. Wenn Glück also mit den erreichten Erfolgen verknüpft wäre, würden wir es niemals wirklich erreichen, denn die Erfolge verschieben sich immer weiter. Doch die Herangehensweise ist gar nicht so verkehrt, wir machen nur einen kleinen Denkfehler: Nicht Erfolg führt zu Glück, sondern Glück führt zu Erfolg.
Glückliche Menschen sind nachweisbar intelligenter, kreativer, haben mehr Energie und vieles mehr, wie wir bereits im letzten Artikel aufgezeigt haben. Und diese Leistungsfähigkeit, Kreativität, soziale Kompetenz und Intelligenz sorgt dafür, dass man erfolgreicher ist. In einem positiven Zustand sind wir im Beruf bis zu 31% produktiver, die Erfolgsquote von Verkäufern steigt um bis zu 37% und Ärzte stellen bis zu 19% schneller und akkurater die richtige Diagnose.7
Die hedonistische Tretmühle
Dass Geld, Schönheit oder bessere Lebensumstände uns nicht langfristig glücklicher machen, liegt unter anderem an der hedonistischen Anpassung (auch hedonistische Tretmühle). Nach Veränderungen, wie einer Hochzeit, dem Lottogewinn, einem größeren Haus oder einer Schönheitsoperation, kehren wir irgendwann wieder zu unserem ursprünglichen Glücksempfinden zurück. Auf den ersten Blick ist das frustrierend, denn nach jedem positiven Ereignis fällt unser Wohlbefinden wieder auf das Ursprungsmaß zurück. Doch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, ist die hedonistische Anpassung auch positiv – bei negativen Ereignissen. Krankheiten, Unfälle, Scheidungen, Todesfälle – dank der hedonistischen Anpassung gewöhnen wir uns an solche Umstände und bleiben nicht für immer unglücklich8. Und auch in dieser Hinsicht schätzen wir die Entwicklung unseres Glücks falsch ein. Wir sind der Meinung, dass wir nach einem schlimmen Unfall mit einhergehenden Behinderungen oder mit einer chronischen Krankheit nie wieder so glücklich sein werden wie vorher. Doch wir liegen falsch, wie Untersuchungen zeigen. Es macht langfristig gesehen kaum einen Unterschied, ob wir im Lotto gewinnen oder Dialysepatient werden – früher oder später sind wir wieder ungefähr so glücklich wie vor den Veränderungen.
Das heißt nicht, dass wir langfristig niemals glücklicher werden können, als wir es zurzeit sind. Auch die hedonistische Tretmühle kann man beeinflussen9. Wenn man dankbar für das positive Ereignis ist, es zu schätzen weiß und froh ist, dass es geschehen ist und sich das immer mal wieder bewusstmacht, wird das die hedonistische Anpassung abmildern. Unsere Denk- und Verhaltensgewohnheiten haben einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden und diese können wir mit etwas Übung verändern.
Ziele, die glücklich machen
Neben dem Streben nach Erfolg, Reichtum oder Schönheit gibt es Ziele, die uns langfristig glücklich machen. Robert Emmons, Forscher aus dem Bereich der Positiven Psychologie, teilt diese Ziele in vier Bereiche10:
- Nähe & Beziehung
- Spiritualität
- Generativität
- Leistung & Kompetenz.
Ziele, die den Wunsch nach engen, wechselseitigen Beziehungen erfüllen sollen, führen langfristig zu einem höheren Wohlbefinden. Dies deckt sich auch mit den Erkenntnissen aus einer der größten Langzeitstudien, die jemals durchgeführt wurden. Seit 1938 wurden in der Harvard-Studie zuerst Männer, später auch Frauen ihr gesamtes Leben begleitet und regelmäßig zu ihren Lebensumständen, ihrer Gesundheit und ihren Beziehungen befragt, psychologischen Tests unterzogen und interviewt. Solch eine Langzeitstudie mit etwa 1.000 Teilnehmern ist nahezu einmalig und gibt Aufschluss über verschiedenste Fragen. Wenn man diese Untersuchung unter dem Blickwinkel des Wohlbefindens betrachtet, zeigt sich, dass der Aspekt, der die deutlichsten Auswirkungen hat, die zwischenmenschlichen Beziehungen sind, die die Studienteilnehmer führen. Es waren nicht der Reichtum, der berufliche Erfolg, Ruhm oder Macht, die zu Glück führten. Es waren glückliche Beziehungen, die Menschen aus unterschiedlichster Herkunft, mit unterschiedlichsten Lebensumständen und unterschiedlichen genetischen Veranlagungen, glücklicher und gesünder machten. Dabei ist es irrelevant, wie groß unser Freundeskreis ist oder ob wir verheiratet sind oder nicht – entscheidend ist die Qualität unserer Beziehungen und sozialen Verbindungen11.
Ziele spiritueller Natur, die auf Selbsttranszendenz abzielen, sind Ziele, die religiösen Ursprungs sein können, aber nicht müssen. Auch Menschen, die keiner Religion angehören, können spirituelle Ziele verfolgen. Hierbei kann es um große Fragen wie den Sinn des eigenen Lebens gehen oder die tägliche Dankbarkeit für das eigene Leben. Dies deckt sich wiederum mit den Erkenntnissen, dass ein hoher Grad an Sinnerleben mit einem hohen Wohlbefinden einhergeht12 und auch Dankbarkeit einen signifikanten Einfluss auf das Wohlbefinden hat13.
Generative Ziele haben den Fokus darauf etwas weiterzugeben und einen persönlichen Beitrag zu leisten. Oft geht es darum die nachfolgende Generation zu unterstützen oder etwas zu hinterlassen. Menschen mit generativen Zielen leisten beispielsweise Freiwilligenarbeit, engagieren sich für die Gesellschaft oder auch Umwelt oder möchten mit ihrem Business nachhaltig etwas in der Welt verändern.
Kompetenz- und Leistungsziele entsprechen dem Grundbedürfnis von Menschen nach Kompetenz und ermöglichen persönliche Entwicklung. Bei diesen Zielen geht es weniger um die Zielerreichung, den Erfolg oder die Anerkennung, sondern um den Einsatz der eigenen Stärken, die Erfahrung der Selbstwirksamkeit und die Entwicklung der eigenen Kompetenz. Der Einsatz der eigenen Stärken führt zu mehr Leistungsfähigkeit, mehr Wohlbefinden und Erfüllung sowie zu mehr Flow-Erleben.
Die individuelle Glücksformel
An dieser Vielfalt von Zielen, die mit Wohlbefinden korrelieren, wird erkennbar, dass es nicht die eine Glücksstrategie gibt, die jeden Menschen auf der Welt glücklich macht. Auch wenn in Studien Faktoren untersucht werden, die uns glücklich machen, sollte man nicht vergessen, dass alle Ergebnisse einen Durchschnitt darstellen. Welcher der verschiedenen Faktoren der Richtige ist, um dein Glück zu steigern, gilt es individuell herauszufinden und auszuprobieren. Was bei der Suche nach dem Glück eher weniger hilft ist, das Glück im Außen zu suchen – in mehr Geld, Schönheit oder Erfolg. Vielmehr sind es unsere Denkgewohnheiten und Verhaltensweisen, die unser Glück langfristig beeinflussen. Was du tun kannst, um dein Denken und Handeln zu verändern und welche Möglichkeiten die Positive Psychologie bietet, erfährst du im nächsten Artikel.
Quellen:
- Lyubomirsky, Sonja. Glücklich sein: Warum Sie es in der Hand haben, zufrieden zu leben. Campus Verlag, 2018.
- Lane, Robert Edwards. The loss of happiness in market democracies. Yale University Press, 2000.
- Kahneman, Daniel, and Angus Deaton. „High income improves evaluation of life but not emotional well-being.“ Proceedings of the national academy of sciences 107.38 (2010): 16489-16493.
- Quoidbach, Jordi, et al. „Money giveth, money taketh away: The dual effect of wealth on happiness.“ Psychological Science 21.6 (2010): 759-763.
- Nickerson, Carol, et al. „Zeroing in on the dark side of the American dream: A closer look at the negative consequences of the goal for financial success.“ Psychological science 14.6 (2003): 531-536.
- Diener, Ed, Brian Wolsic, and Frank Fujita. „Physical attractiveness and subjective well-being.“ Journal of personality and social psychology 69.1 (1995): 120.
- Achor, Shawn. The happiness advantage: The seven principles of positive psychology that fuel success and performance at work. Random House, 2011.
- Riis, Jason, et al. „Ignorance of hedonic adaptation to hemodialysis: a study using ecological momentary assessment.“ Journal of Experimental Psychology: General 134.1 (2005): 3.
- Sheldon, Kennon M., and Sonja Lyubomirsky. „The challenge of staying happier: Testing the hedonic adaptation prevention model.“ Personality and Social Psychology Bulletin 38.5 (2012): 670-680.
- Emmons, Robert A. „Personal goals, life meaning, and virtue: Wellsprings of a positive life.“ Flourishing: Positive psychology and the life well-lived (2003): 105-128.
- https://www.ted.com/talks/robert_waldinger_what_makes_a_good_life_lessons_from_the_longest_study_on_happiness#t-448794
- Schnell, Tatjana. „The Sources of Meaning and Meaning in Life Questionnaire (SoMe): Relations to demographics and well-being.“ The Journal of Positive Psychology 4.6 (2009): 483-499.
- Watkins, Philip C., et al. „Gratitude and happiness: Development of a measure of gratitude, and relationships with subjective well-being.“ Social Behavior and Personality: an international journal 31.5 (2003): 431-451.
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