Nicht nur die Weihnachtszeit mit Adventskalendern, selbstgebackenen Keksen und Geschenken ist ein schöner Anlass anderen eine Freude zu machen. Doch von diesen Gesten profitieren nicht nur andere, sondern auch man selber. In der Positiven Psychologie wurde die Charakterstärke Freundlichkeit vielfach untersucht und die positiven Auswirkungen von Gesten der Freundlichkeit wurden mehrfach bestätigt. Was die Forschung zu diesem Thema sagt, erfährst du in unserem Artikel.
Die Positive Psychologie, als Wissenschaft vom gelingenden Leben, untersucht, was Menschen glücklich macht und zu einem erfüllten Leben beiträgt. Es geht um Themen wie Stärken, erfüllte Beziehungen, gelebte Werte, Lebenssinn, Selbstmitgefühl und viele mehr. Freundlichkeit ist eine Möglichkeit etwas für das eigene Glück zu tun. Studien haben die positiven Wirkungen inzwischen vielfach belegt. Freundlichkeit wird in der Positiven Psychologie aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet: als Stärke, die einem Menschen innewohnt sowie als Intervention, mit der man das eigene Wohlbefinden stärken kann.
Freundlichkeit als Charakterstärke
In der Positiven Psychologie gibt es das Modell der Charakterstärken. Es werden 24 Stärken unterschieden, die kultur- und religionsübergreifend als Stärken angesehen werden. Freundlichkeit ist eine dieser 24 Charakterstärken. Diese Stärke verbindet Eigenschaften wie Großzügigkeit, Fürsorge, Hilfsbereitschaft und Altruismus. Menschen mit der ausgeprägten Stärke Freundlichkeit sorgen sich um Andere, bieten ihre Hilfe an und unterstützen Andere, sie sind nett und tun gerne Gefallen. Grundsätzlich führt der Einsatz von Stärken zu mehr Zufriedenheit und auch die Stärke Freundlichkeit korreliert mit Wohlbefinden1. Es lohnt sich also diese Stärke ein wenig mehr zum Ausdruck zu bringen. Allerdings gibt es auch bei so schönen Dingen wie Freundlichkeit Irrwege, auf denen man sich verlaufen kann.
Übertreibt man diese Stärke kann es so weit gehen, dass Menschen die Bedürfnisse Anderer vor ihre eigenen stellen und sich selbst darüber ganz vergessen. Hilfreich ist hier das Bild der Sauerstoffmaske im Flugzeug. Erinnerst du dich an die letzte Sicherheitseinweisung der Flugbegleiter? Mal angenommen auf dem Platz neben dir würde ein Kind sitzen und die Sauerstoffmasken fallen aus der Decke. Wem ziehst du zuerst die Maske über – dir oder dem Kind?
Dir! Denn wenn du z.B. durch zu wenig Sauerstoff oder zu wenig Ressourcen, weil du dich für andere ausgebrannt hast, nicht mehr in der Lage bist, dich um den anderen zu kümmern, hilft das niemandem mehr. Wie alle Stärken hat Freundlichkeit also auch eine Kehrseite, die sich in Übertreibung zeigen kann. Oder auch in Untertreibung, die sich als Egoismus oder Selbstbezogenheit darstellt. Freundlichkeit kann außerdem auf zwei verschiedene Dimensionen angewendet werden: auf andere oder auf sich selber. Freundlichkeit in Bezug auf andere zu nutzen, ist für die meisten wahrscheinlich naheliegender, als für sich selbst. Dabei ist es sehr wertvoll auch zu sich selbst freundlich zu sein. Freundlich zu sich zu sein, ist übrigens eine Komponente des Selbstmitgefühls, das in der Positiven Psychologie ebenfalls gut untersucht ist. Stell dir vor eine gute Freundin oder ein guter Freund würde zu dir kommen und dir von seinem Tag berichten. Und dieser Tag war wirklich kein guter Tag. Wie würdest du reagieren? Und wenn du selbst einen solchen Tag gehabt hättest, wie wärst du dann mit dir umgegangen? Hättest du dir gedanklich auch ein paar aufmunternde Worte gesagt und dein Mitgefühl ausgedrückt?
Freundlichkeit hat verschiedene Facetten und es kommt auf das richtige Maß an. Die Weihnachtszeit ist eine gute Gelegenheit eine gesunde Balance für den Stärkeneinsatz seiner Freundlichkeit zu finden und zu üben. Die Stärke Freundlichkeit hat außerdem die Besonderheit, dass nicht nur derjenige davon profitiert, der diese Stärke einsetzt, sondern auch sein Gegenüber. Neben einer guten Tat für sich selber und sein eigenes Wohlbefinden erfreut man gleichzeitig noch einen anderen Menschen und verhilft ihm zu positiven Emotionen.
Acts of Kindness
Eine Möglichkeit mehr Freundlichkeit zu leben, sind Gesten der Freundlichkeit. In der Positiven Psychologie sind diese als explizite Intervention bekannt: Acts of Kindness. Acts of Kindness funktionieren ganz einfach, man plant kleine Gesten, mit denen man anderen eine Freude machen kann oder nutzt spontane Gelegenheiten, die sich bieten. Die einzige Bedingung bei Acts of Kindness ist, dass der Andere sich über die Geste freuen kann. Dabei muss einem das Gegenüber nicht bekannt sein (z.B. einem Fremden Menschen ein Kompliment für seine Weihnachtsmütze machen), die Gesten können gezielt (z.B. einem Freund seine Lieblingskekse mitbringen, die man selbstgebacken hat) oder zufällig (z.B. das eigene Wechselgeld beim Weihnachtseinkauf für den nächsten an der Kasse anzahlen) unternommen werden. Es spielt auch keine Rolle, ob der andere weiß, wer verantwortlich für die freundliche Geste ist. Diese kleine Intervention funktioniert bereits durch die Freude, die beim anderen ausgelöst wird. Und natürlich durch die freundliche Tat, die das Wohlbefinden des Gebenden stärkt.
Der Act of Kindness wurde vielfach wissenschaftlich untersucht. Unter anderem wurde eine große Studie von Seligman, Steen, Park & Peterson aus 2005 mit eindeutigen Ergebnissen repliziert. In der Studie2 von 2013 wurden anhand einer Stichprobe von über 2300 Erwachsenen verschiedene positiv psychologische Interventionen untersucht, darunter auch die Acts of Kindness über den Zeitraum einer Woche sowie die Intervention Gift of Time. Die Intervention Gift of Time ähnelt den Acts of Kindness. Hier wird als freundliche Geste Zeit geschenkt. Im Rahmen der Studie nahmen die Teilnehmer mit drei Personen Kontakt auf und schenkten ihnen Zeit in Form eines Treffens. Die Studie zeigte, dass beide Interventionen, die lediglich über einen Zeitraum einer Woche durchgeführt wurden, signifikant die Zufriedenheit erhöhten und depressive Symptome linderten. Die Effekte waren auch einen Monat nach der Intervention noch nachweisbar.
Es hat sich übrigens auch gezeigt, dass, wenn man seine Acts of Kindness auf einen Tag legt (beispielsweise einen Freundlichkeitstag in der Woche) die Wirkung noch stärker ist, als wenn man sie auf mehrere Tage verteilt. Hilfreich ist es außerdem Abwechslung in die Durchführung zu bringen. Forscher haben über einen Zeitraum von 10 Wochen Studenten untersucht, die dokumentierten welche Acts of Kindness sie in dieser Woche umgesetzt haben3. Es wurden Gesten wie „einem Freund ein Buch leihen“, „für meine Mitbewohner kochen“ oder „anderen Autos Vorfahrt gewähren“ beschrieben. Zu Beginn der Studie wurden die Studenten in zwei Gruppen geteilt. Gruppe A wurde angewiesen immer wieder ähnliche Acts of Kindness zu wiederholen. Die andere Gruppe sollte jede Woche andere Gesten ausprobieren. Bei der Gruppe, die jede Woche andere Acts of Kindness durchgeführt hatte, wurde ein wesentlich höherer Anstieg des Wohlbefindens festgestellt, als bei der Vergleichsgruppe.
Vielleicht ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt diese kleinen, aber kraftvollen Übungen mal auszuprobieren. Wenn du Lust hast, all die positiven Effekte von Freundlichkeit und Geschenken in einer weniger standardisierten Art zu erleben, haben wir noch eine persönliche Anregung für dich.
Das Projekt Adventskalender
Als Trainerin für Positive Psychologie versuche ich die Konzepte und Interventionen der Positiven Psychologie auch in mein Leben, meine Arbeit und meine Beziehungen zu integrieren. Nachdem ich mich nun schon einige Jahre mit meinem Herzensthema befasse, durfte ich vor kurzem mal wieder an mir selber Angewandte Positive Psychologie beobachten. Seit klein auf liebe ich Adventskalender und habe von meiner Mutter als Kind oft einen selbstgebastelten Adventskalender bekommen, der mir die Vorweihnachtszeit nicht nur versüßt hat. Dieses Jahr hatte ich Lust meinem Partner einen Adventskalender zu basteln, mit kleinen Geschenken, Gutscheinen für gemeinsame Unternehmungen und ein paar Leckereien. In unseren Gesprächen habe ich also fortan mit einem Ohr darauf gehorcht, welche kleinen Wünsche mein Partner noch haben könnte. In Kaufhäusern habe ich Ausschau gehalten nach kleinen Aufmerksamkeiten, die ihm gefallen könnten. Und ich habe das Internet durchstöbert nach guten Ideen – schließlich sollen 24 potentielle Überraschungen auch noch in die kleinen Säckchen eines Adventskalenders passen. Anschließend ging es dann an das Sortieren, Verpacken und Gestalten der Geschenke. Jetzt wartet der Adventskalender darauf meinen Liebsten zu überraschen.
Und für mich hatte das Projekt Adventskalender viele positive Nebenwirkungen:
- Ich habe meinem Partner achtsam und bewusst meine Aufmerksamkeit geschenkt und habe versucht herauszufinden, was er sich momentan wünscht und womit ich ihm eine Freude machen kann. Ich habe wieder vermehrt auf die kleinen Vorlieben und Überzeugungen meines Partners geachtet und bin ihm dadurch nähergekommen. Ganz im Sinne des Geheimnisses für glückliche Beziehungen Aktualisieren der Partner-Landkarte nach dem berühmten Beziehungsforscher John Gottman4, habe ich so also auch meiner Partnerschaft etwas Gutes getan und meinen Partner noch etwas besser kennengelernt.
- Ich bin viel achtsamer und aufmerksamer durch die Einkaufsläden gelaufen, immer auf der Suche nach passenden Überraschungen. Und auch eine achtsame Haltung hat vielfältige positive Wirkungen auf Geist und Körper.
- Ich habe viele kleine Gesten der Freundlichkeit und einige Gift of Times im Adventskalender versteckt, sodass sowohl mein Partner als auch ich von den positiven Auswirkungen der Freundlichkeit als Schenkender und Beschenkter in Form von mehr Zufriedenheit profitieren.
- Das Einlösen der Gutscheine schenkt uns gemeinsame Zeit und neue Erlebnisse und vertieft unsere Bindung.
- Ich konnte meine Stärken Bindungsfähigkeit und Voraussicht einsetzen und mich an der Planung und Vorbereitung erfreuen. Vielleicht wären es bei dir eher die Stärken Kreativität und Enthusiasmus, die du nutzen kannst. In jedem Fall führt auch die Nutzung der persönlichen Stärken zu mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden.
- Das kleine Projekt hat verschiedene positive Emotionen wie Freude, Liebe oder Inspiration in mir ausgelöst, sodass ich im Sinne der Broaden-and-Build-Theory neue Ressourcen aufbauen konnte und die Aufwärtsspirale positiver Emotionen angestoßen habe.
- Und ich konnte verschiedene Strategien nutzen mein Projekt Adventskalender zu genießen. Aber zum Thema Genuss & Dankbarkeit verrate ich euch mehr im nächsten Blogartikel.
Du hast auch Lust bekommen einen Adventskalender zu basteln? Ein liebevoll selbst gestalteter Adventskalender ist eine tolle Alternative zu einem üblichen Weihnachtsgeschenk. Do-it-yourself-Adventskalender gibt es in vielen verschiedenen Formen und wir haben ein paar Ideen für dich zusammengestellt, womit ein Adventskalender befüllt werden kann:
- Rubbellose (gibt es in jeder Lotto-Filiale)
- weihnachtliche Leckereien wie Weihnachtstees, Weihnachtskaffee, Weihnachtsmarmelade, Spekulatiuscreme, Trinkschokolade als Löffel…
- Gutscheine für gemeinsame Erlebnisse
- Weihnachtsaccessoires (z.B. Ohrringe, Krawatte oder Fliege, Socken)
- kleine Nützlichkeiten wie Handwärmer (gibt es in ganz verschiedenen Formen) oder Schlüsselanhänger (z.B. Einkaufschips oder Paracord)
- kleine Gesellschaftsspiele (z.B. Ligretto, einer meiner Lieblinge)
- Teelichter mit versteckten Botschaften (die Bastelanleitung findest du hier https://www.leonneri.de/2016/11/16/anleitung-ein-besinnlicher-teelicht-adventskalender/)
- inspirierende Zitate oder kleine Weisheitsgeschichten
- Geschenke für Zweisamkeit wie Massageöl oder Massagekerzen
- gemeinsame Fotos oder Erinnerungen
- Themengeschenke: Wofür begeistert sich der Beschenkte?
Quellen:
[1] Ruch, W., Proyer, R. T., Harzer, C., Park, N., Peterson, C., & Seligman, M. E. P. (2010). Adaptation and validation of the German version of the Values in Action Inventory of Strengths (VIA-IS) and the development of a peer-rating form. Journal of Individual Differences, 31(3), 138-149.
[2] Gander, F., Proyer, R. T., Ruch, W., & Wyss, T. (2013). Strength-based positive interventions: Further evidence for their potential in enhancing well-being and alleviating depression. Journal of Happiness Studies, 14(4), 1241-1259.
[3] Sheldon, K. M., Boehm, J., & Lyubomirsky, S. (2013). Variety is the spice of happiness: The hedonic adaptation prevention model. Oxford handbook of happiness, 901-914.
[4] John Gottman (2014). Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe. Ullstein Verlag.
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