13.05.2013

Zwiegespräche nach Michael Lukas Moeller

Eine Anleitung für wesentliche Gespräche in Beziehungen

1996 ermittelte das Bundesministerium für Familie, dass deutsche Paare nur etwa zwei Minuten pro Tag miteinander über wesentliche persönliche Dinge reden und eine amerikanische Studie kam für amerikanische Paare auf etwa fünf Minuten. Ein wichtiger Aspekt glücklicher Beziehungen ist aber genau dieses wesentliche „Miteinander-Reden“ – das Sprechen über Wünsche, Hoffnungen, Befürchtungen, Erwartungen und Ängste. Um diesen Austausch zu fördern, entwickelte Michael Lukas Moeller die Zwiegespräche.

Am Anfang einer Beziehung, wenn die Verliebtheits-Hormone noch aktiv sind, sind zwei Menschen neugierig aufeinander, wollen alles voneinander wissen und sind voller Fragen. Sie erzählen voneinander oft bis in die Nacht hinein und teilen Gefühle, Wünsche, Träume aber auch Ängste und Sorgen miteinander. Dies schafft Nähe und man wird einander immer mehr vertraut. Später beginnt man sich Bilder vom anderen zu machen und an die Stelle der Fragen treten fertige Antworten. Die Gespräche werden oberflächlicher und man ist der Meinung, dass man den anderen bereits kennt. Veränderungen in der Welt und im Inneren des Partners bekommt man vielleicht gar nicht mehr mit. Konflikte werden nicht geklärt, grundlegende Empfindungen und Wünsche nicht mehr geteilt. Mit der Sprachlosigkeit geht eine Entfremdung einher und ungeklärte Erwartungen oder Wünsche können zu Verletzungen und Enttäuschungen führen. Mittelfristig beginnen die Partner sich alleine zu fühlen und sind enttäuscht vom anderen und der Beziehung.

John Gottman, der bekannte Beziehungsforscher und -therapeut nennt diese Kenntnis vom anderen „Partner-Landkarte“. Es geht darum die Vorlieben, Sehnsüchte, Ängste, Überzeugungen, Interessen und Werte des anderen zu kennen, aber auch zu wissen, wer der beste Freund ist, welchen Lieblingsfilm der Partner hat oder was er gerne in der Freizeit macht. Nach der Beobachtung tausender Paare im gemeinsamen Zusammenleben, bei Gesprächen und Konflikten sowie unzähligen Interviews hat er die Aktualisierung der Partner-Landkarte als einen von sieben wesentlichen Schlüsseln für stabile, glückliche Beziehungen herausgefunden1. Die Kenntnis der Partner-Landkarte führt nach Gottmans Analysen dazu, dass die Beziehung auch in herausfordernden Zeiten oder nach Veränderungen stabil bleibt. Es geht darum die innere Welt des anderen zu kennen und auch Veränderungen dieser mitzubekommen und das, was man über den Partner weiß im Alltag zu beachten. Der Schlüssel dazu sind regelmäßige, tiefe Gespräche bei denen man seinem Partner Aufmerksamkeit schenkt und auch sich selber besser kennenlernt, wie z.B. die Zwiegespräche.

Die kleinste Selbsthilfegruppe der Welt

Zwiegespräche sind eine von Michael Lukas Moeller entwickelte Methode, bewusst herbeigeführter wesentlicher Gespräche, um der Beziehungslosigkeit in Beziehungen entgegenzuwirken. Sie werden meistens zwischen Beziehungspartnern geführt, können aber genauso hilfreich sein für: Eltern/Kind, Geschwister, Freunde, Arbeitskollegen…

Anleitung für ein Zwiegespräch

  1. Vereinbart einen regelmäßigen Termin von 60-90 Minuten Dauer pro Woche und setzt euch zusammen. Sucht euch einen gemütlichen Platz, am besten seht ihr einander an. In der Zeit des Zwiegesprächs sollte es keine Störungen oder Unterbrechungen geben.
  2. Das Thema ist: „Ich erzähle dir von mir! Ich erzähle, was mich bewegt. Wie ICH mich, dich und mein Leben erlebe. Was mir gefällt, was ich mir wünsche, was ich fürchte.“ Jeder malt im Zwiegespräch ein Selbstportrait von sich, an dem er den anderen teilhaben lässt und hat gleichzeitig die Freiheit über das zu sprechen, was ihm wichtig ist oder das zu teilen, was ihn gerade bewegt.
  3. Die ersten 10-15 Minuten spricht der eine, dann der andere. Immer im Wechsel bis jeder 3x gesprochen hat. Das ergibt dann 60-90 Minuten Gesamtzeit, je nachdem ob man 10 oder 15 Minuten Redeblöcke vereinbart hatte. Nach dem Zwiegespräch wird erst einmal weder nachkommentiert noch weiter über die Themen gesprochen.
  4. Wenn der eine spricht, schweigt der andere und hört nur aufmerksam zu. Es werden keine Fragen gestellt, keine Kommentare oder Ratschläge gegeben. Wenn einer nichts zu sagen hat, dann schweigt er. Das Zwiegespräch ist kein Offenbarungszwang, jeder ist frei in der Wahl seines Themas und sagt nur das, was er will.
  5. Jeder bleibt bei sich – in der Welt des Anderen hat man nichts zu suchen. Es werden keine Interpretationen, Vorwürfe oder Unterstellungen gemacht.
  6. Seid konkret und erklärt euch in kleinen, erlebten Szenen.
  7. Beginnt pünktlich, haltet die Gesprächszeiten ein und hört pünktlich auf.

Die Regelmäßigkeit der Gespräche ist ein Geheimnis ihres Erfolges. Jeder geht der Frage nach: „Was bewegt mich zurzeit am stärksten?“ Es gibt kein anderes Thema im Zwiegespräch, als das eigene Erleben. Einer erzählt dem anderen, wie er gerade sich, die Beziehung und sein Leben erlebt. Die Partner tauschen sozusagen Selbstporträts aus.
Es geht darum, bei sich zu bleiben und den anderen in seiner Andersartigkeit kennen und annehmen zu lernen und immer wieder sein Bild vom Partner zu aktualisieren. Grundlage für Zwiegespräche ist die Einsicht: „Ich bin nicht du und ich weiß dich nicht“ und die Klarheit darüber „Ich bin für meine Gefühle selbst verantwortlich“.

Zwiegespräche beibehalten

Haben Paare mit Zwiegesprächen begonnen, wirken die ersten Gespräche meist euphorisierend durch die Entlastung von unausgesprochenen Dingen. Und obwohl die Wirkung von Zwiegesprächen der persönlichen und der Paarentwicklung außerordentlich gut tut, beginnt der Prozess oft spätestens nach dem dritten Zwiegespräch ins Stocken zu geraten.

  • Es zeigt sich die Tendenz, die Dialoge ausfallen zu lassen und schließlich ganz abzubrechen.
  • Die Zwiegespräche werden abgekürzt oder beginnen sich zu verlaufen.
  • Der Ort wird in die Sauna, die Kneipe, das Auto verlegt. Unterbrechungen oder Ablenkungen treten auf, die den gemeinsamen Entwicklungsprozess stören.
  • Unbemerkte Verschiebungen des Gesprächs vom Entwerfen eines Selbstporträts hin zu einer Sacherörterung finden statt. Das Thema wandert über Organisationsprobleme, Literatur, Politik oder Ähnliches. Aus einem Sprechen „von sich“ wird ein Sprechen „über etwas“.
  • Zwiegespräche verlaufen ohne besondere Vorkommnisse, bleiben an der Oberfläche oder Unwichtiges wird zu vermeintlich Wesentlichem verwandelt.

Passiert das, wird es Zeit, genau darüber ein Gespräch, vielleicht sogar ein Zwiegespräch, zu führen.

Der beste Zeitpunkt mit Zwiegesprächen zu beginnen

Wann ist der beste Zeitpunkt mit Zwiegesprächen zu beginnen?
In den nächsten 72 Stunden 🙂

Buchtipp zu Zwiegesprächen

Die Wahrheit beginnt zu zweit: Das Paar im Gespräch
von Michael Lukas Moeller

Quelle

1. Gottman, John M. Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe. Ullstein Taschenbuch, 2014.

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