In einem abgedunkelten Hörsaal stand eine Professorin vor einem gespannten Publikum. Die Atmosphäre war erwartungsvoll, fast elektrisch. Sie hob langsam ein Glas Wasser in die Höhe. Jeder im Raum hielt den Atem an, sollte die allseits bekannte Frage kommen: „Ist das Glas halb voll oder halb leer?“ Doch nein, sie überraschte alle.
„Wie schwer ist dieses Glas Wasser?“, fragte sie mit einer ruhigen, aber festen Stimme.
Murmeln durchzog den Raum, verschiedene Gewichtsangaben wurden gerufen. Doch mit einem sanften Lächeln im Gesicht erklärte sie: „Das tatsächliche Gewicht des Glases ist nicht das Wesentliche. Es kommt darauf an, wie lange ich es halte. Ein paar Minuten, und es fühlt sich leicht an. Doch nach einer Stunde beginnt mein Arm zu schmerzen. Halte ich es einen ganzen Tag, wird mein Arm taub, fast leblos. Das Gewicht des Glases hat sich nicht verändert, aber die Last, die es auf mich ausübt, wächst.“
Ein zustimmendes Nicken durchzog den Raum. Sie fuhr fort: „Denken Sie an Ihre Sorgen, Frustrationen, Enttäuschungen und belastenden Gedanken als dieses Glas Wasser. Ein kurzer Gedanke daran, und es passiert wenig. Aber halten Sie daran fest, und der Schmerz beginnt. Denken Sie den ganzen Tag daran, und Sie fühlen sich betäubt, gelähmt, unfähig, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Es ist nicht das Gewicht unserer Sorgen, das uns belastet, sondern unsere Unfähigkeit, loszulassen.“
Sie schloss mit den Worten: „Die Kunst des Loslassens ist entscheidend für unser Wohlbefinden. Wann also entscheiden wir uns, unser Glas abzusetzen und zu lernen, loszulassen?“
Vom Schmerz des Festhaltens zum Frieden des Loslassens
Die Geschichte mit dem Glas ist nicht nur eine Metapher, sondern eine Einladung – eine Einladung, die Lasten unserer Vergangenheit loszulassen und uns für das Leben und das Neue zu öffnen. Es zeigt eindrücklich, wie schädlich es sein kann, an negativen Gefühlen oder Gedanken festzuhalten. Doch wie können wir das in unserem täglichen Leben umsetzen?
Was uns belastet
Es gibt so viele Dinge, die uns belasten können: ungesunde Beziehungen, unerfüllte Träume, Schuldgefühle, eine alte Identität, Groll oder das ständige Bedürfnis nach Kontrolle. Manchmal sind es materielle Dinge, die uns an schmerzhafte Erinnerungen binden. Das ständige Festhalten an diesen Lasten ist wie das Halten des Glases – es wird mit der Zeit immer schwerer und drückt auf unsere Seele.
Die Kraft des Loslassens
Erkennen wir erst einmal, dass es in Ordnung – und sogar notwendig – ist, loszulassen, öffnen wir uns für eine Transformation. Loslassen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Ausdruck von Stärke und Selbstfürsorge. Es erfordert Mut, Altbekanntes hinter sich zu lassen und sich Neuem zu öffnen. Für manche ist es hilfreich, sich auf diesem Weg von einem Coach oder Therapeuten begleiten zu lassen.
Neues einladen
Wenn wir loslassen, schaffen wir Raum für Neues. Neue Menschen, neue Erfahrungen, frische Perspektiven und unerwartete Möglichkeiten. Wie können wir uns für das Neue öffnen? Indem wir mutig sind, Risiken eingehen und uns auf Abenteuer einlassen. Indem wir uns vorstellen, was wir in unserem Leben erleben und fühlen möchten.
Die Lehre des Glases erinnert uns daran, dass es nicht nur in Ordnung, sondern auch gut und heilsam ist, Dinge loszulassen, die uns Schmerz bereiten.
Das Potenzial des Neuen
Jeder Tag bietet uns die Chance, uns neu zu erfinden und Neues in unser Leben einzuladen. Und während wir unseren Weg gehen ist es nicht nur in Ordnung, sondern essentiell, sich die nötige Zeit zu nehmen, um zu heilen, zu wachsen und uns weiterzuentwickeln.
Meditative Übung: Altes Loslassen und Neues Einladen
Zur Vorbereitung: Finde einen ruhigen Platz, an dem du ungestört bist. Du benötigst ein Glas Wasser. Lass dir ein Thema oder einen Gedanken in den Sinn kommen, den du schon lange mit dir trägst und von dem du spürst, dass es Zeit ist, ihn loszulassen.
Das Alte in Liebe loslassen
Nimm das Glas Wasser in die Hand. Gönne dir etwas Ruhe, vielleicht magst du auch die Augen schließen – und dann stelle dir einfach vor, wie all das Schwere, was mit dem Thema zusammenhängt und du loslassen möchtet, wie alte Überzeugungen, Glaubenssätze, negative Gedanken, langsam in das Glas fließt.
Mit jedem Atemzug kann Schweres und Negatives einfach aus deinem Körper und Geist aus dir heraus fließen und das Glas füllen. Bemerke, wie das Glas, das du in der Hand hältst, allmählich schwerer und schwerer wird. Wann immer du dich bereit fühlst, richte deine Aufmerksamkeit auf deine Entscheidung, loszulassen.
Wenn es an der Zeit ist, setze das Glas ab. Mit einem weiteren Atemzug und in deinem eigenen Tempo, gieße dann das Wasser aus, als Symbol für das Loslassen all dessen, was dich belastet hat und du nicht mehr brauchst – lasse unerwünschte Überzeugungen, Gedanken, Negatives bewusst los, sodass sie sich in Nichts auflösen.
Einladung an das Neue
Atme wieder tief ein und aus. Spüre den Raum in dir, den du gerade geschaffen hast. Ein Raum voller Möglichkeiten. Erlaube dir, diesen Raum mit wunderbaren neuen Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen zu füllen.
Wenn du möchtest, fülle nun das Glas ganz neu mit frischem Wasser und halte es in beiden Händen. Während du das Glas betrachtest, lade bewusst all das Schöne, das Positive und das Wünschenswerte zu dem Thema in dein Leben ein. Vielleicht sind es Worte der Liebe, des Friedens, der Freude oder des Erfolgs. Lass jedes Wort, jedes Bild, jede Intention, das Wasser bereichern.
Wenn du spürst, dass das Wasser mit all deinen Einladungen und guten Wünschen angereichert ist, die du verinnerlichen möchtest, nimm einen Moment, um das Glas in Dankbarkeit zu betrachten.
Dann führe es langsam zu deinen Lippen und erlaube dir einfach, das angereicherte Wasser Schluck für Schluck zu trinken, während du dir vorstellst, wie all diese positiven Energien und Gedanken, in deinen Körper, deinen Geist und dein Herz fließen und dich stärken und und Teil von dir werden.
Vielleicht bemerkst du sofort oder etwas später oder in den nächsten Tagen positive Veränderungen in dir und Dankbarkeit für die Möglichkeit, jederzeit loslassen und neu anfangen zu können.
Rituale, die dir helfen, loszulassen
Symbolische Rituale, wie die Meditation mit dem Glas Wasser, bieten eine physische und emotionale Brücke, die unser Inneres mit der äußeren Welt verbindet. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass solche Rituale das Gefühl von Kontrolle in chaotischen Situationen stärken und unter anderem bei der Bewältigung von Trauer und Verlust unterstützen können. Durch das physische Handeln – wie das Halten des Glases und das Ausgießen des Wassers – wird das immaterielle Konzept des Loslassens greifbar gemacht. Dies ermöglicht es uns, tief verwurzelte Emotionen und Überzeugungen bewusster wahrzunehmen und sie schließlich loszulassen. Zudem können Rituale, indem sie eine klare Struktur und einen Fokus bieten, dazu beitragen, unser Wohlbefinden zu steigern und uns dabei helfen, positive Veränderungen in unserem Leben herbeizuführen
Während wir unseren Lebensweg beschreiten, sammeln wir oft Erinnerungen und Gefühle, die uns das Leben schwer machen. Wie das Glas Wasser uns liebevoll erinnert, liegt es in unserer Hand, zu entscheiden, wann wir loslassen. Was wäre, wenn du immer wieder übst, das Glas abzustellen, loszulassen – und dich dafür entscheidest, Neues einzuladen? Jedes Mal, wenn wir loslassen, öffnen wir das Herz für die Wunder des Lebens. Als Kind war ich oft fasziniert von den Wolken am Himmel, die sich ständig formten und wieder veränderten. Dieses Fließen wurde für mich ein Symbol für das Loslassen und die Schönheit des Wandels. Genauso wie die Wolken sich neu formieren, können auch wir stets Neues entdecken und einladen, wenn wir offen und neugierig bleiben.
Daher lade ich dich ein: Überlege dir, was du sanft loslassen möchtest? Denke daran, dass mit jeder losgelassenen Last, ein neuer Horizont voller Liebe, Licht und Möglichkeiten vor dir liegt. Welche neuen Freuden und Erfahrungen möchtest du in dein Leben einladen? Lausche deinem Herzen und lade das Leben immer wieder neu ein!
Quelle: Norton, M. I., & Gino, F. (2014). Rituals alleviate grieving for loved ones, lovers, and lotteries. Journal of Experimental Psychology: General, 143(1), 266.
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