Im letzten Artikel haben wir über die kurzfristigen und langfristigen Effekte von Meditation berichtet. Zu diesen Effekten zählen z.B. mehr innere Ruhe und Ausgeglichenheit, weniger Stressempfinden, ein stärkeres Immunsystem und ein lernfähiges Gehirn bis ins hohe Alter.
Dieses Mal geht es darum, wie man Resilienz mit Hilfe von Meditation steigern kann. Höhere Resilienz gibt uns die Möglichkeit, unbeschwerter durch das Leben zu gehen. Dadurch sind wir in der Lage in kleinen und großen Krisensituation einen kühlen Kopf und eine positive Einstellung zu behalten, aus unseren Fehlern zu lernen und vor allem immer wieder neue Lösungen für herausfordernde Lebenssituationen zu finden.
Resilienz ist die Fähigkeit ressourcevoll und flexibel auf Krisen und Herausforderungen des Lebens zu reagieren. Um diese Flexibilität gewährleisten zu können, benötigen wir vor allem zwei gut funktionierende Gehirnteile: den Hippocampus und den anterioren cingulären Cortex (ACC).
Meditation hilft aus Erfahrungen zu lernen
Der Hippocampus ist ein Teil des limbischen Systems, liegt aber im Temporallappen des Kortex. Der Hippocampus überführt Gedächtnisinhalte aus dem Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis. Er ist aber nicht nur für die Generierung der von Erinnerungen zuständig. Dank ihm können wir unsere Erinnerungen auch wieder abrufen. Der Hippocampus gibt uns die Fähigkeit, kluge und bewusste Entscheidungen zu fällen, indem er auf bestimmte Erinnerungen an das zurückgreift, was zuvor funktioniert hat. Das hilft uns dabei, eine Situation jetzt resilient zu bewältigen (1).
Der Hippocampus hat aber noch weitere Funktionen. So ist er ein wichtiger Teil bei der Regulation der Coartisolausschüttung. Cortisol ist ein wichtiges Stresshormon. Im Hippocampus befinden sich Nervenzellen, die den Cortisolgehalt im Blut messen. Diese Zellen können allerdings durch langanhaltenden hohen Cortisolgehalt geschädigt werden und absterben. Bei chronischem Stress oder Traumaerleben wird das Gehirn mit dem Stresshormon Cortisol überflutet. Zu viel Cortisol wirkt wie gesagt neurotoxisch auf die Gehirnzellen im Hippocampus. Verliert ein Mensch zu viele Zellen im Hippocampus, werden ihm Erfahrungen weniger zugänglich und er kann aus seinen Erfahrungen schwieriger lernen. Dieser Schaden beeinträchtigt die Fähigkeit, von einem Trauma zu genesen oder zu lernen mit stressigen Situationen umzugehen. Es fehlt an einer funktionalen Struktur, um die gesammelten Erfahrungen zu organisieren und damit zugänglich zu machen.
Die gute Nachricht ist, dass der Hippocampus zu den Gehirnarealen mit hoher Neurogenese zählt, also vermehrt neue Zellen produziert. Im Laufe unseres Lebens wird ohnehin etwa ein Drittel der Nervenzellen im Hippocampus ausgetauscht. Das bedeutet, dass täglich etwa 700 neue Nervenzellen in dieser Gehirnregion gebildet werden. Wenn man diese Nervenzellen anspricht und vor schädigendem Einfluss von Cortisol schützt, dann bleiben sie erhalten und sterben nicht wieder ab. Genau an dieser Stelle kommt Meditation ins Spiel. Diverse Studien zeigen, dass durch regelmäßige Meditation die Dichte der Nervenzellen im Hippocampus zunimmt. Dieser Effekt konnte bereits nach 5 Wochen bei Probanden festgestellt werden, die täglich 45 Minuten meditiert haben.
Meditation stärkt die Problemlösungsfähigkeit
Auch auf den ACC wirkt sich Meditation positiv aus. Dieser Gehirnteil gehört zu dem so genannten höheren Gehirn, arbeitet aber mit dem limbischen System eng zusammen. Der ACC ist unter anderem für unsere Selbstregulation zuständig. Darunter wird die Fähigkeit verstanden, die Aufmerksamkeit und das Verhalten sinnvoll zu steuern. Der ACC verbindet unsere Gedanken- und Gefühlswelt und sorgt so dafür, dass wir unangemessene Reflexreaktionen erkennen und uns bewusst für eine Vorgehensweise entscheiden. Außerdem sitzt in dieser Gehirnregion die Fähigkeit aus gesammelten Erfahrungen zu lernen. Damit sind wir in der Lage zu erkennen, welche Strategien in der Vergangenheit gut oder schlecht funktioniert haben. Und wir können neue Lösungen für bekannte oder neue Probleme erarbeiten. Menschen mit geschädigtem ACC neigen zu Impulsivität und ungehemmter Aggression. Diese Menschen halten an ineffektiven Problemlösungsstrategien fest, statt ihr Verhalten flexibel an die Erfordernisse der Situation anzupassen (2).
Bei Personen, die regelmäßig meditieren, ist eine höhere Aktivität in diesem Gehirnareal erkennbar. So verfügen sie über höhere geistige Flexibilität und können sich viel besser auf die Überraschungen des Lebens einstellen. Dazu gehört unter anderem die großartige Fähigkeit, in Risiken Chancen zu erkennen. Somit ist man in der Lage eine potenziell negative Überraschung als positiv betrachten zu können.
Für eine starke Resilienz ist es notwendig, dass unser ACC und unser Hippocampus gut funktionieren und zusammenarbeiten. Mit unserem ACC können wir bewusst wahrnehmen, denken und entscheiden. Dabei stützt sich dieser Gehirnteil auf entsprechende Erlebnisse aus unserem Erfahrungsschatz, um sich daran zu erinnern, wie ein bestimmtes Problem schon mal erfolgreich gelöst wurde. Das wiederum ermöglicht unser Hippocampus, in dem er den ACC auf unser explizites Gedächtnis zugreifen lässt.
Meditation baut ein positives Lebensgefühl auf
Das explizite Gedächtnis besteht aus bewusst zugänglichem Faktenwissen und Erinnerungen an Ereignisse in unserem Leben – zum Beispiel an den letzten Geburtstag. Wir erinnern uns – mehr oder weniger genau – an die Situation und wer dabei war.
Das implizite Gedächtnis spielt bei unserer Erinnerung aber eine viel größere Rolle. Es umfasst Gefühle, Beziehungsmodelle, Handlungsmuster und unsere Sicht auf die Welt. Implizite Erinnerung ist anders als sich Erinnern an Ereignisse. Diese Art der Erinnerung ist vollständig unbewusst oder vorbewusst. Sie erscheint körperlich – was manche Menschen dazu veranlasst von einem Bauchhirn und ähnlichem zu sprechen (3).
Wurde jemand als Kind von einem Hund gebissen, kann es sein, dass die Erfahrung nicht ins explizite Gedächtnis überführt wurde. Dennoch bleibt da noch das entsprechende Gefühl der Angst. Dieses Gefühl ist im impliziten Gedächtnis abgelegt und ist jederzeit abrufbar. Und so hat dieser Mensch jedes Mal Angst, wenn er einem Hund begegnet, möglicherweise ohne zu wissen warum. Denn die explizite Erinnerung über den Vorfall mit dem Hund wurde damals nicht in explizite Gedächtnis übernommen. Außerdem sind zahlreiche Automatismen im impliziten Gedächtnis gespeichert, z.B. wie man Fahrrad fährt, eine Tür öffnet und viele mehr. Das macht man eben „aus dem Bauch heraus“.
Der allergrößte Anteil der Erinnerungen ist implizit, obwohl die explizite Erinnerung die meiste (bewusste) Aufmerksamkeit erhält. Die innere Atmosphäre unseres Geistes hängt zum Großteil davon ab, was in unserem impliziten Gedächtnis gespeichert ist (4). Ist unser implizites Gedächtnis gefüllt mit positiven Erinnerungen ist auch unser grundsätzliches Lebensgefühl positiv. So wie wir einem Hund begegnen und Angst haben können, können wir über den Tag verteilt auch andere kleine Erlebnisse haben, die unbewußt positive Gefühle in uns hervorrufen. Ein paar davon werden explizite Erinnerungen wach rufen. Doch die Mehrheit stützt sich auf positiven Erfahrungen aus unserem impliziten Gedächtnis.
Meditation eignet sich gut, um das implizite Gedächtnis mit guten Erfahrungen anzureichern. Das passiert z.B. während einer Mitgefühlsmeditation. Auch die Meditationsübung „das Gute in sich aufnehmen“ eignet sich sehr gut dafür. Hierdurch wird implizit eine neue Gewohnheit gebildet.
Meditationsübung „das Gute in sich aufnehmen“
Schritt 1: Im Rahmen einer Meditation rufe dir etwas in den Sinn, das dir ein gutes Gefühl vermittelt. Es kann eine Erinnerung oder Vorstellung sein. Eine Vorfreude auf den Urlaub, das Kinderlachen, ein Dankbarkeitsgefühl, weil es einen besonderen Menschen in Ihrem Leben gibt oder weil heute gutes Wetter ist.
Schritt 2: Erkunde dieses Gefühl. Schaue dir die Bilder an, die in dir aufsteigen. Vielleicht hörst du etwas. Dann höre genauer hin. Genieße die Erfahrung. Lasse sie andauern, indem du 5, 10 oder sogar 20 Sekunden bei ihr verweilst. Fokussiere dich auf deine Emotionen und Körperempfindungen. Es ist wichtig, es bewusst wahrzunehmen, wie sich diese positive Erfahrung körperlich anfühlt. Dadurch funktioniert die Überführung der Erfahrung ins implizite Gedächtnis besser.
Schritt 3: Stelle dir vor, wie dein Körper und dein Geist diese Erfahrung aufnehmen. Vielleicht gibt es einen bestimmten Teil des Körpers, in dem das Gute einsickert. Vielleicht ist es ein Juwel, das du in eine imaginäre Schatztruhe legst. Nehme wahr, wie es sich anfühlt, das Gute in sich aufzunehmen.
Je öfter du diese Übung machst umso mehr wird sie in deinem Leben deine Sichtweise positiv verändern und deine Resilienz stärken.
Jede Meditationsübung wirkt
Im Laufe eines Tages sammelt jeder Mensch zahlreiche implizite Erinnerungen. Dabei bekommen wir nicht mit, was unser Unterbewusstsein auf welche Weise abspeichert und was nicht. Nur auf ein paar dieser Erinnerungen können wir im Rahmen einer Meditation unsere Aufmerksamkeit richten und diese mit einer kleinen Übung gezielt für unser Unterbewusstsein durch unsere Verweildauer und Beschäftigung mit ihr als bedeutsam markieren.
Indem wir unser explizites und implizites Gedächtnis gezielt mit positiven Erfahrungen füllen, verändern wir bewusst den Bestand an Erinnerungen, die von unserem Gehirn verwendet werden, um unser Leben zu gestalten. So sind wir in der Lage eine positive Grundstimmung und eine hohe Resilienz aufzubauen, indem wir uns auf die positiven Aspekte des Lebens konzentrieren, um daraus Kraft für schwierige Situationen zu schöpfen.
Außerdem unterstützen wir mit jeder Art von Meditation (z.B. Atemmeditation) die Weiterentwicklung bzw. Genesung der Gehirnareale, die es uns möglich machen aus eigenen Erfahrungen zu lernen und ressourcevolle Strategien zu entwickeln. Wir haben immer die Wahl: wir können unser Leben und unsere Bewältigungsstrategien dem Zufall überlassen oder gezielt Einfluss auf unser Leben nehmen und die Areale stärken, die uns glücklicher und resilienter werden lassen.
Für welche Meditationsübung du dich auch entscheidest, ganz wichtig ist: Bleib dran, denn Kontinuität bewirkt die stärkste Veränderung!
Wir wünschen dir viel Erfolg
Dein Team vom NLP-Zentrum Berlin
Quellen:
1, 2 „Der achtsame Weg zu Resilienz und Wohlbefinden“ von Linda Graham, 1. Auflage 2014
3, 4 „Das Gehirn eines Buddha“ von Rick Hanson und Richard Mendius,6. Auflage 2015
„Workout für das Gehirn“ von Christina Congleton, Britta K. Hölzel und Sara W. Lazar
http://www.harvardbusinessmanager.de/blogs/wie-achtsamkeit-und-meditation-ihr-gehirn-veraendern-kann-a-1016687.html
„Explizites und implizites Gedächtnis“
http://www.neuronation.de/gedaechtnistraining/explizites-und-implizites-gedaechtnis
“Harvard neuroscientist: Meditation not only reduces stress, here’s how it changes your brain” by Brigid Schulte
https://www.washingtonpost.com/news/inspired-life/wp/2015/05/26/harvard-neuroscientist-meditation-not-only-reduces-stress-it-literally-changes-your-brain/
“Mindfulness practice leads to increases in regional brain gray matter density” by Britta K. Hölzel, James Carmody, Mark Vangel, Christina Congleton, Sita M. Yerramsetti, Tim Gard, and Sara W. Lazara
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3004979/
“Greater efficiency in attentional processing related to mindfulness meditation” by van den Hurk PA, Giommi F, Gielen SC, Speckens AE, Barendregt HP
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20509209
„Der Mensch bildet sein Leben lang neue Hirnzellen“
http://www.welt.de/wissenschaft/article116890416/Der-Mensch-bildet-sein-Leben-lang-neue-Hirnzellen.html
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