18. Oktober 2015

Macht Stress krank? – Teil I

Unsere Annahmen beeinflussen die Wirkung von Stress

Was für eine Frage!? Schließlich wissen wir aus zahlreichen Veröffentlichungen, dass jeder Dritte in Deutschland unter Stress leidet. Damit ist doch klar: Stress macht krank! Insbesondere in den letzten 40 Jahren wurden etliche Studien gemacht, in denen die Beziehung zwischen Stress, Gesundheit und Sterblichkeit untersucht wurde. Doch hat keine dieser Studien die Beziehung zwischen der individuell eingeschätzten Auswirkung von Stress auf die Gesundheit und den tatsächlichen gesundheitlichen Folgen untersucht.
Etwas differenzierter betrachtet eine Gemeinschaftsstudie der Harvard University und University of California diesen Sachverhalt. Es wurden zwischen 1998 und 2006 fast 30.000 Erwachsenen jedes Jahr zwei Fragen gestellt:
„Wie viel Stress haben Sie im letzten Jahr gehabt?“
„Glauben Sie, dass Stress Ihrer Gesundheit schadet?“
Zusätzlich wurde noch um eine Gesundheitseinschätzung gebeten. Die Antworten auf diese Fragen und die Sterblichkeit der Befragten (10,3% starben in der Zeit) wurden miteinander korreliert. Das Ergebnis ist erstaunlich.

Nicht Stress macht krank sondern unsere Beurteilung

Zunächst zeigte sich das Bekannte. Die Wahrscheinlichkeit für einen schlechten Gesundheitszustand stieg mit dem berichteten Stresslevel. Allerdings stieg auch die Wahrscheinlichkeit für einen schlechten Gesundheitszustand mit der Einschätzung, dass Stress schlecht für die Gesundheit sei.
Insbesondere ist der Vergleich von zwei Versuchsgruppen in der Studie interessant: Die erste Versuchsgruppe, die einem höheren Stresslevel ausgesetzt war, Stress aber nicht negativ mit ihrer Gesundheit in Verbindung bringt und eine zweite Versuchsgruppe, die sogar weniger Stress ausgesetzt war, und Stress als negativ für ihre Gesundheit einschätzte. Das Ergebnis war, dass die erste Gruppe trotz höherem Stress einen deutlich besseren gesundheitlichen Zustand im Vergleich zur zweiten Versuchsgruppe hatte. 33,7% der Testpersonen glaubten, dass Stress ihre Gesundheit stark oder zu einem gewissen Grad negativ beeinflusst.

Erhöhtes Sterberisiko bei hohem Stresslevel mit negativer Beurteilung

In Bezug auf das Sterberisiko, haben bei jeweils isolierter Betrachtung weder die Höhe der Belastung noch die Beurteilung, dass Stress sich negativ auf die Gesundheit auswirkt, einen deutlichen Effekt. Allerdings zeigte sich, dass bei kombinierter Betrachtung die Korrelation zwischen dem Sterberisiko einerseits und ein hoher Stresslevel mit der Beurteilung, dass Stress die Gesundheit negativ beeinflusst andererseits, statistisch signifikant ist. Die Versuchspersonen, die im Vorjahr ein hohes Stresslevel hatten und Stress zudem als schädlich für ihre Gesundheit bewertet haben, haben ein zu 43% erhöhtes Sterberisiko im Vergleich zu den Personen, die das gleiche oder sogar ein höheres Level an Stress hatten, Stress aber nicht als gesundheitsschädlich bewertet haben.
Wieder ist die Kombination aus der Menge und der individuellen Beurteilung von Stress, entscheidend. Menschen, die Stress erleben und Stress als belastend für ihre Gesundheit empfinden, beeinflussen damit also möglicherweise unbewusst ihre physische und psychische Gesundheit und neigen zu einem höheren Sterberisiko.

Unsere Erwartungen haben einen signifikanten Einfluss auf unsere Gesundheit

Nicht Stress macht krank, sondern das, was wir über die Auswirkung von Stress glauben. Vergleichbar dem Placebo-Effekt, bei dem das Ergebnis einer Behandlung in hohem Maße von der Erwartung des Ergebnisses abhängt, richtet sich die Auswirkung von Stress auf die Gesundheit danach, was wir, auch unterbewusst, erwarten. (Dies gilt übrigens auch in Bezug auf den Verlauf von Krankheiten und vielem anderen.)
Die gute Nachricht ist also: durch eine wirkliche Veränderung unserer Erwartungen, kann sich die Reaktion unseres Körpers ändern und das nicht nur bei Stress.

Quelle: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3374921

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Für Kurzentschlossene

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