2. November 2020

Dramadreieck: Täter, Opfer und Retter

Rollen & förderliche Verhaltensweisen

Vielleicht hast du das so oder so ähnlich auch schonmal erlebt: Du gehst in eine Situation hinein, um zu helfen und plötzlich bist du der Schuldige, der Unruhestifter und vielleicht sogar für das ganze Dilemma verantwortlich. Oder vielleicht hattest du schonmal das Gefühl, dass sich eine Situation innerhalb kürzester Zeit zugespitzt hat und im Nachhinein konntest du dir nicht erklären, wie es überhaupt dazu gekommen ist? Dann hast du möglicherweise, ohne es zu wissen, ein Rollenspiel gespielt: im Dramadreieck.

Das Dramadreieck ist eine Art unwillkürliches Rollenspiel mit Schuldzuweisungen, Verantwortungen, Enttäuschungen usw. Die gute Nachricht ist, dass du aus dieser Art von „Spiel“ aussteigen und lernen kannst, das Drama gar nicht erst mitzuspielen. Wir möchten mit diesem Beitrag dein Bewusstsein dafür schärfen, welche Dynamiken es in der Theorie des Dramadreiecks in Konflikt- und Stresssituationen gibt, damit du zukünftig mehr Handlungsmöglichkeiten hast und dich konfliktfreier verhalten kannst. In diesem Artikel erfährst du:

  • was das Dramadreieck ist
  • welche Rollen und Verhaltensmuster es gibt
  • wie du dich in Konflikten positiv verhalten kannst
  • was die Kenntnis über die Dynamiken für deine Tätigkeit als Coach bedeutet

Was ist das Dramadreieck?

Das Dramadreieck kennzeichnet ein Grundmuster menschlicher Aktion und Reaktion und die damit verbundenen Verhaltensweisen. Das Modell des Dramadreiecks hat seinen Ursprung in der Transaktionsanalyse und wurde zuerst 1968 von Stephen Karpman beschrieben. Es spezifiziert eine Konfliktdynamik mit 3 wechselnden Rollen zwischen mindestens zwei Menschen: Täter, Opfer und Retter.

Das Dramadreieck zeigt, wie diese drei Rollen zusammenhängen und in Konfliktsituationen gewechselt werden. Es zeigt geradezu archetypische Verlaufsmuster einer Konflikteskalation auf. Es ist wichtig zu verstehen, dass es in der Theorie des Dramadreiecks immer um die Beschreibung von Verhaltensmustern der verschiedenen Rollen geht. Oft haben Menschen in bestimmten Situationen „Lieblingsrollen“. Das Dramatische hieran ist, dass man in jeder der drei Rollen jemanden, sei es sich selbst oder andere, nicht okay findet, was den Konflikt nur noch mehr zuspitzt.

Verhaltensweisen des Täters

Der Täter nimmt die Dinge auf seine Art und Weise in die Hand. Er weiß scheinbar alles besser, kritisiert, kontrolliert, droht, schüchtert ein und demütigt andere Beteiligte. Die entsprechende Grundeinstellung ist „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“.

Verhaltensweisen des Opfers

Das Opfer fühlt sich für alles verantwortlich, will sich dem aber entziehen, fühlt sich hilflos und ohnmächtig. Mit diesem Verhalten bewegt das Opfer den Anderen aber geradezu in die Täterrolle und will ihnen ebenfalls ein schlechtes Gewissen machen. Menschen, die diese Rolle bevorzugen, haben die Grundeinstellung „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“, mitunter auch „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“.

Verhaltensweisen des Retters

Der Retter möchte gebraucht werden und Anerkennung erhalten. Auch der Retter heizt das Drama nur noch weiter an, indem er andere klein macht, um sich selbst größer zu fühlen. Dadurch, dass er das Opfer als hilflos ansieht, bestätigt er sich selbst darin gebraucht zu werden, darin, dass es „ohne ihn nicht geht.“. Oft wertet er auch den Täter ab. Damit stellt er sich aber über andere und erkennt ihnen quasi die Fähigkeit ab, selber angemessen handeln zu können. Die Grundhaltung ist hier wie beim Täter: „Ich bin o.k. du bist nicht o.k.“

Die vierte Position

Auch beschreibt das Dramadreieck eine vierte, wünschenswerte Position: die Begegnung auf Augenhöhe. In dieser Position senden wir als Botschaft aus unserem „Erwachsenen-Ich“: „Ich bin okay – du bist okay!“. Das Erwachsenen-Ich spiegelt den anderen Beteiligten ihr Verhalten, stellt Fragen zu ihren Bedürfnissen und kommuniziert in Ich-Botschaften.

Rollenwechsel: Wenn das Drama seinen Lauf nimmt…

Stephen Karpman beschrieb die Beobachtung, dass Menschen in bestimmten Situationen eine Lieblingsrolle haben. Jedoch können die Rollen im Dramadreieck schnell gewechselt werden und in kürzester Zeit kann der Retter zum Opfer oder Täter und so weiter werden…

Es gibt keinen festgelegten Anfang und auch kein feststehendes Ende. Die Positionen können sich im Laufe der Zeit immer wieder und sehr plötzlich verändern. Mal angenommen zwei Menschen streiten sich und eine Person empfindet sich zu Unrecht beschuldigt. Diese Person könnte man im Dramadreieck als „Opfer“ und die andere als „Täter“ bezeichnen. Wenn sich jetzt eine dritte Person als „Retter“ in das Geschehen einklinkt und das vermeintliche „Opfer“ unterstützt, kann es zu einem Positionstausch kommen, wenn nunmehr die Person, die gerade noch in der Rolle des „Täters“ war, in die Position des Opfers geht. Jetzt wird möglicherweise der, der eben noch Retter war zum Täter – und im nächsten Moment wird er vielleicht sogar zum Opfer, wenn er nun wiederum angegriffen wird, sich da doch bitte herauszuhalten und so weiter.
In den meisten Fällen sind die Rollen auf zwei oder drei Personen verteilt, aber du kannst das Dramadreieck sogar alleine spielen. Dann übernehmen die einzelnen Persönlichkeitsaspekte in einem inneren Dialog die drei Rollen.

Förderliche Verhaltensweisen

Wie kannst du dich also verhalten, wenn du bemerkst, dass du in einer Konflikt- oder Stresssituation eine der Rollen im Dramadreieck eingenommen hast? Oder andere Beteiligte die Verhaltensmuster des Opfers, Täters oder Retters zeigen?

Das Ziel sollte in erster Linie sein, aus dem Kreislauf auszusteigen und, wenn möglich, gar nicht erst einzusteigen. Der erste Schritt ist, dir bewusst zu machen, welche Rolle du und die anderen gerade spielen und dich von dem Wunsch loszulösen Recht, Anerkennung und Aufmerksamkeit zu erhalten (das ist das, wonach jede dieser Rollen strebt).

  • Wenn du dich als Opfer fühlst, ist es wichtig, dass du nicht im Selbstmitleid bleibst oder Mitleid suchst, sondern dich unabhängig machst.
  • Für den Fall, dass du dich in der Rolle des Täters befindest, ersetze destruktive Kritik durch konstruktives, wertschätzendes Feedback und Interesse.
  • Wenn du dich in der Rolle des Retters siehst, dann nimm andere mit in die Verantwortung und höre auf, anderen deine Hilfe aufzudrängen.

Eine andere Sichtweise bietet das Modell des „Gewinner-Dreiecks“ von Acey Choy. Er hat das Gewinner-Dreieck konzipiert, welches jeder der drei Rollen besondere Fähigkeiten zuschreibt, um gelingende Beziehungen zu führen.

  • Der Unterstützende Helfer hat ein echtes Interesse für die verletzte Person. Im Unterschied zur Retter-Rolle respektiert er die verletzliche Person aber und spricht ihr nicht die Fähigkeit ab, eigenständig zu denken und zu handeln.
  • Der Verhandler braucht Energie dafür, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, ohne dass dies auf Kosten anderer Menschen geschieht.
  • Der Hilfesuchende oder die verletzliche Person erkennt die Verletzlichkeit, dass er leidet bzw. ein Problem hat. Sie lösen ihre Probleme alleine oder fragen gezielt nach Hilfe und Unterstützung.

Bedeutung des Modells für Coaches

Wenn du als Coach arbeitest, ist es wichtig, dass du die drei Rollen kennst. Es ist bedeutsam, für die Dynamik im Dramadreieck sensibilisiert zu sein, damit du gegenüber deiner Klienten nicht in die Retter-Rolle einsteigst. Coaches tendieren oft dazu, die Rolle des Retters einzunehmen und glauben damit, nicht Teil des Dramadreiecks zu sein. Jedoch trägt auch der Retter zum Erhalt des Konfliktes bei.
Du kannst dich nur aus der vierten Position heraus, und damit aus dem Erwachsenen-Ich, freimachen von Bewertungen und Parteinahme. Damit bleibst du neutral und kannst den Kreislauf unterbrechen. Indem du die vierte Position einnimmst, begegnest du jedem auf Augenhöhe: „Ich bin okay – du bist okay!“.  Das sind Botschaften aus dem Erwachsenen-Ich heraus.

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Deine Carolin

1 Kommentar

  1. Super Artikel, danke sehr!

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