Was ist Positive Psychologie?

In der Positiven Psychologie gibt es bisher keine einheitliche Definition, mit der sich die Frage „Was ist Positive Psychologie?“ zufriedenstellend beantworten lässt. Jedoch finden sich in den meisten Definitionen Überschneidungen und Ähnlichkeiten, sodass man ein erstes Gefühl davon bekommt, was man unter Positiver Psychologie versteht:

  • Die Positive Psychologie ist das Studium der Bedingungen und (Wechsel-) Wirkungen, die zur optimalen Entwicklung von Personen, Gruppen und Institutionen beitragen.1
  • Positive Psychologie ist die wissenschaftliche Forschung zu optimaler menschlicher Leistungsfähigkeit. Positive Psychologie hat das Ziel, Faktoren zu entdecken und zu unterstützen, die Einzelnen und Gemeinschaften dabei helfen aufzublühen („to thrive“).2
  • Positive Psychologie ist die wissenschaftliche Untersuchung dessen, was das Leben lebenswerter macht.3
  • Positive Psychologie ist die Wissenschaft vom gelingenden Leben & Arbeiten.

Positive Psychologie beinhaltet also die Forschung und Untersuchung von Wohlbefinden und optimaler Leistungsfähigkeit auf persönlicher, beziehungsrelevanter, gesellschaftlicher und globaler Ebene. Um die Hintergründe besser zu verstehen, lohnt es sich einmal einen Blick auf die Entstehungsgeschichte der Positiven Psychologie zu werfen.

Geschichte der Positiven Psychologie

Die Psychologie und psychologische Forschung, wie sie seit Jahrzehnten existiert, konzentriert sich hauptsächlich auf die Erkennung und Behandlung von psychischen Krankheiten. Es geht um die „Reparatur“ des Patienten, mit dem Ziel, dass er wieder „funktioniert“. Psychologen können hervorragend Smptome kategorisieren und psychische Störungen lindern. Was bei diesem Ansatz leider vernachlässigt wurde ist, dass die Beseitigung von Krankheit nicht automatisch zu Gesundheit führt. Depressionen gelten inzwischen weltweit als Volkskrankheit und sind die häufigste Ursache für Erkrankungen und Behinderungen. Die Anzahl betroffener Menschen stieg zwischen 2005 und 2015 um fast 20% auf über 300 Millionen Menschen der Weltbevölkerung. Besonders betroffen sind Länder mit mittlerem oder hohem Einkommen. Doch die Reduktion depressiver Symptome führt nicht zwangsläufig zu Wohlbefinden oder Lebenszufriedenheit – und das gilt auch für sämtliche andere psychische Leiden. Psychische Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Leid und Unglück (Vergleich WHO-Definition für Gesundheit:Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen.“).

Als Martin Seligman, ein amerikanischer Psychologe, der als Pionier der Positiven Psychologie betrachtet wird, 1998 zum Präsidenten der American Psychological Association gewählt wurde, forderte er eine Erweiterung der Psychologie: „50 Jahre später möchte ich unser Gebiet der Psychologie daran erinnern, dass es abgelenkt wurde. Psychologie ist nicht nur das Studium von Schwäche und Schaden, sondern auch das Studium von Stärke und Tugend. Die Behandlung besteht nicht nur darin, das zu reparieren, was kaputt ist, sondern das Beste in uns zu fördern.“ Er forderte die Untersuchung von Gesundheit und nicht die alleinige Fokussierung auf Krankheit und psychische Störungen. Ziel war es wirksame Methoden zu erforschen und zu entwickeln, die nicht nur Krankheiten lindern, sondern auch psychisches Wohlbefinden und Gesundheit fördern. Damit prägte er den neuen Forschungszweig der Psychologie: die Positive Psychologie. Seitdem erforschen Positive Psychologen weltweit, was das Leben lebenswert macht und wie entsprechende Umstände dafür geschaffen werden können.

Doch auch lange vor Seligman gab es bereits erste Ansätze und Ideen, außerhalb der akademischen Psychologie, die in diese Richtung dachten. Schon in den Schriften von Aristoteles ging es um Glück (Hedonismus und Eudaimonia, siehe auch unser Blogartikel zu Glück), Sinnhaftigkeit und Tugenden. Abraham Maslow, ebenfalls ein amerikanischer Psychologe, der im 20. Jahrhundert lebte, prägte erstmals den Begriff „Positive Psychologie“ und verbreitete die Idee der Selbstverwirklichung, also der Potenzialentfaltung und Sinnerfüllung. Im Zusammenhang mit der Entwicklung der Positiven Psychologie wird außerdem Carl Rogers genannt, ebenfalls amerikanischer Psychologe und Psychotherapeut. Rogers hat die Humanistische Psychologie stark mitgeprägt und ausgebaut und steht der Positiven Psychologie damit sehr nahe. Rogers hat außerdem den Begriff der fully functioning person geprägt, der dem flourishing, der durch Seligman bekannt gemacht wurde, sehr ähnlich ist. Es geht bei beiden Konzepten um die volle psychische Leistungsfähigkeit und Nutzung des individuellen Potenzials.

Eröffnung unseres zweiten Seminarzentrums

Doch auch wenn sich schon vor Seligman viele Philosophen und Psychologen mit dem Thema Glück beschäftigt haben, hat Seligman diesem Thema als Forscher eine neue Richtung gegeben. Er wollte die Beschäftigung mit Glück & Wohlbefinden auf eine wissenschaftlich fundierte Basis stellen, hat aussagekräftige Studien durchgeführt und die Fragestellung in den Fokus psychologischer Forschung gerückt. Inzwischen forschen weltweit Psychologen und Wissenschaftler in diesem Feld, es gibt eine Vielzahl an Erkenntnissen, die uns Aufschluss darüber geben, wie wir das Wohlbefinden von Menschen fördern können und Positive Psychologie wird heute an vielen renommierten Universitäten gelehrt.

Ziele der Positiven Psychologie

Die Positive Psychologie beschäftigt sich mit der Frage danach, was das Leben lebenswert macht und welche Aspekte eine Bedeutung für gelingendes Leben und Arbeiten haben. Nach über 20 Jahren existieren vielfältige Studien und Untersuchungen rund um Glück, Zufriedenheit und Wohlbefinden, die Fragen beantworten, wie:

  • Was ist Glück und wie kann man es messen?
  • Was macht glücklich?
  • Wie lässt sich Wohlbefinden steigern?
  • Wie kann man gelingendes Leben und Arbeiten unterstützen?

Und aus der psychologischen Forschung wurden verständliche Modelle, Empfehlungen und Interventionen für ein erfülltes Leben abgeleitet, die umsetzbar und alltagstauglich sind und nachgewiesen funktionieren. Die Positive Psychologie leistet damit einen Beitrag zur Potenzialentfaltung von Individuen, Organisationen und Gesellschaften. Dementsprechend hat sie ein breites Anwendungsfeld. Angefangen in Psychotherapie und Coaching sowie allgemeinen Programmen zur Persönlichkeitsentwicklung, über Unternehmen und Teams, Familien, Bildungs- und Erziehungseinrichtungen bis hin zu ganzen Gesellschaften hat sich die Positive Psychologie zum Ziel gesetzt alle diese Bereiche zu verbessern. Es geht um:

  • das Aufzeigen persönlicher Entwicklungsmöglichkeiten durch Stärkennutzung, Sinnorientierung u.v.m.
  • eine Verbesserung der Erziehung u.a. durch Stärkenorientierung, Nutzung positiver Emotionen und intrinsischer Motivation sowie einem wachstumsorientierten Mindset,
  • Verbesserung von Beziehungen u.a. durch positive Emotionen, das Verständnis verschiedener Dynamiken sowie positive Kommunikation,
  • die Verbesserung der Arbeitszufriedenheit auf individueller Ebene, durch Stärkennutzung, Flowerleben, Sinnerleben sowie der Möglichkeit einen echten Beitrag zu leisten,
  • die Verbesserung ganzer Organisationen und Gesellschaften, u.a. durch eine wertschätzende Kommunikation, eine Orientierung weg von Leistung hin zu Stärken, Sinn und Menschlichkeit.

Themen der Positiven Psychologie

In der Positiven Psychologie geht man davon aus, dass die Abwesenheit von körperlichen oder seelischen Krankheiten nicht automatisch zu Gesundheit führt. Und auf Gesundheit, die Anwesenheit von Wohlbefinden, haben viele verschiedene Aspekte Einfluss, die man als „Familienmitglieder“ der Positiven Psychologie bezeichnen kann. Es geht um Themen wie:

  • positive Emotionen,
  • Charakter- & Signaturstärken,
  • Sinn,
  • Optimismus,
  • Genuss,
  • Dankbarkeit,
  • Flow,
  • Achtsamkeit,
  • Werte,
  • Positive Ziele,
  • Selbstwirksamkeit,
  • Selbstmitgefühl,
  • positive Kommunikation,
  • positive Beziehungen,
  • Resilienz und
  • positive Gesundheit.

Mit der Verknüpfung all dieser Themen hat sich die Positive Psychologie zu einer kraftvollen Haltung mit wirksamen Methoden und Interventionen entwickelt, die Coachings, Trainings, Partnerschaften, Familien, Teams & Unternehmen bereichern. Neben mehr Glück und positiven Emotionen macht uns die Positive Psychologie auch leistungsfähiger und widerstandsfähiger gegen Burn-Out und Depressionen. Denn die Interventionen helfen Denk- und Verhaltensmuster zu entwickeln, die langfristig zu mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden führen – inklusive der zahlreichen positiven Nebeneffekte wie Langlebigkeit, Kreativität, Resilienz, Erfolg, Attraktivität, stabileren Beziehungen und Gesundheit.

Quellen:

  1. Gable, Shelly L., and Jonathan Haidt. „What (and why) is positive psychology?“ Review of general psychology 9.2 (2005): 103-110.
  2. Blickhan, Daniela. Positive Psychologie: Ein Handbuch für die Praxis. Junfermann Verlag GmbH, 2018.
  3. Snyder, Charles R., and Shane J. Lopez, eds. Oxford handbook of positive psychology. Oxford library of psychology, 2009.

Für Kurzentschlossene